Geboren an jenem nebligen Tag vor Sylvester 1955 in Munderkingen auf der Schwäbischen Alb. Kindheit und Jugend erlebt in einem Mix aus Hölderlin, Stalingrad, Schiller und Filbinger, VfB Stuttgart und der stoischen Schönheit des Wacholders. Zähe schulische Karriere, dennoch Abitur am Hellensteingymnasium Heidenheim. Die rundum schmucklose 50 000 Einwohner beheimatende Stadt brachte einst sowohl den Wüstenfuchs Rommel wie auch den genialen Hitler-Attentäter und tragischen Pechvogel Hans Georg Elser hervor, ein Verwandter mütterlicherseits. Ein weiterer großer Name der Stadt: Horst Blankenburg, der lange vor Beckenbauer den Libero kreierte und später mit Ajax Amsterdam dreimal in Folge den Europapokal der Landesmeister gewann.
Luxus der Siebziger Jahre: Nach dem Abi ein Freewheeling-Jahr der kleinen "grand tour"; u.a. Barkeeper in Palermos Vucciria und in der Pariser Kultbar Polly Magoo; Hilfskoch auf Korsika, Spezialgebiet Bouillabaisse; Bordelltürsteher in Genuas Altstadt; Hospitanz bei dem Theatergenie Kantor in Krakau und Olivenpflückerlehre in der peloponnesischen Mani - Unterkunft in jenem Haus, wo 1917 Nikos Kazantzakis und der echte Sorbas ihre schelmischen Abenteuer erlebten.
Ab 1976 zunächst euphorisches Studium der Literatur- und Theaterwissenschaften an der FU Berlin. Höhepunkte: Führerschein Klasse II; die Nächte im Dschungel neben dem Stammtisch von Iggy Pop und David Bowie; Teppichausfahrer bei Ralf Pernack in Neukölln; Chemtrail-Exzesse mit RWF's Crew während der Dreharbeiten zu Berlin-Alexanderplatz; zauberhafte Tage im Atelier von Kippenberger inkl. nebulöser Batida-De-Coco-Abstürze im SO 36 und immer wieder mal das Erleben von Peter Stein & Ensemble bei diversen Proben an der Schaubähne am Halleschen Ufer.
Und dann waren die Achtziger auch schon vorbei.
Zwischenstopp in der schwäbischen Heimat. Aus drei Tagen wurden zwei Jahre. Leitung des Kleinkunsttheaters "Gesellschaftsgarten" - rauschende Abende mit den Drei Tornados, Eckhart Henscheid, Dieter Hildebrandt und Helmut Ruge, Robert Kreis, Sigi Zimmerschied, Marianna Sägebrecht und Otti Fischer.
Wegen kühner Projektpläne mit Ottfried Fischer Umzug ins doch dauerhaft magiefreie München, aber immerhin am Schwabing-Elisabethmarkt zuhause.
Die Neunziger hatten begonnen:
Hinterhoftheater, Klappe, Tattersaal, Alter Simpl, Lemke, Wecker, die Nachtigall von Ramersdorf, Achternbusch, Bierbichler, die tolle Klappe und die Euphorie der Anden, Margaritas und Gimlets beim Narzisstenwirt Georg Schumann, Jour-Fix-Abende bei Enzensbergers Transatlantik, viele Dylan-Konzerte und sonntags regelmäßige Besuche auf der Riemer Galopprennbahn. Verlorene Niemand brachte diese Zeit besser auf den Punkt als Wolf Wondratschek: "Auf der Tagesordnung stand Dummheit als Glücksgefühl. Ich sah die Stunde meiner Größe verrotten. Ich stand an der Theke des Cafe Capri, unserem Hauptquartier auf der Leopoldstraße und vertrödelte mein Leben. Hier standen wir rum, ohne zu reden, größenwahnsinnig wie kleine Berge, zu alt für Motorräder, zu schüchtern für das ganz große Verbrechen."
Was tun? Also beruflich. Schon aus Trotz das maximal Unvernünftige, sprich den Kauf eines Galopprennpferds namens Casobo, Sohn des Derbyzweiten Nebos, ein "Rohdiamant, der noch geschliffen werden muss" - so Trainer Felix Schreiner, wegen mehrfachen Wettbetrugs auch als "schwarzer Graf" beleumundet. Der Eigenanteil am Schleifen addierte sich in vier Jahren auf 120 000 Mark. Geld musste her und eine Entscheidung, was man irgendwann mal beruflich machen würde.
Erste Reportage für die AZ über die Solidarnosc-Bewegung in Danzig und Krakau. Die zweite gleich im Anschluss für LUI über polnische Dirnen und ihre arabische Klientel im Grand Hotel Sopot mit Blick auf die Westernplatte.
Bis heute Essays, Portraits, Kolumnen, Interviews, Short Stories, Fotos und Reportagen für Lettre, Du, Zeit, SZ, FAZ, Cicero, Playboy, Brandeins, Welt, Madame, Vogue, Rolling Stone und viele mehr. Ebenso Drehbücher, Hörspiele, Reisebände und diverse essayistische Abhandlungen. Zwei Ausstellungen mit dem Berliner Künstler Klaus Schweier: "Männer Boxen Runden" und "126 Tage".
Während einer Stierkampf-Reportage mit der Corrida-Fotografin Anya Bartels über den Jahrhundert-Torero Jose Tomas kam es in Cascais zu einer zufälligen Begegnung mit Graf Nikolaus von Sandizell. Ohne langes Überreden seinerseits resultierten daraus ab 1998 vier Jahre als Chatelier im barocken Wasserschloss der Sippe nahe Schrobenhausen. Highlights: der mehrtägige Besuch der Blueslegende Taj Mahal mit seiner Band und einige Lesungen mit der wunderbaren Barbara Rudnik.
Die ländliche Abgeschiedenheit in dem 12 000 qm großen Lustschloss führte dazu, die digitale Revolution zu verpennen, was aber zu keinerlei Traumatisierung führte - im Gegenteil.
Noch hielt sich die Printbranche über Wasser und erlaubte ausgedehnte wie gut dotierte Reisestories, die nach Haiti führten, wo in Jacmel das Milleneum mit reichlich Voodoo stattfand oder nach St. Petersburg, wo der große Schwindel des 9.11. weniger rückhaltlos zur Kenntnis genommen wurde als es die rotgrüne Belgradbomberbrigade zuhause praktizierte. Manchmal schreibt ein einfacher Farbbeutel die Geschichte um. Weitere Exkursionen nach Ägypten, Mexiko, Israel, Hawaii, Hollywood, Seychellen, Thailand, Burma, Portugal, Montenegro, Albanien, Baskenland, UK, Sizilien, Sardinien, alle Teile Italiens, Spaniens, Frankreichs und natürlich Griechenland, die zweite, nein die erste Heimat, die immer wieder jene Euphorieschübe auslöste, die man vergleichbar in Henry Millers "Koloss" lesen kann.
Naheliegend also dort ein für lange Zeit gemieteten Häuschen in dem Fischerdorf Agios Nikolaos, welches rund um die Uhr von drei Narren dominiert wird, die hierzulande in den Verließen der Pharmakonzerne vor sich hin dämmern würden, dort aber ein feines Street-Theater-Leben führen, so wie das Edmund Keeley beschrieb, "... und so wird den Exzentrikern in Athens mondänen Künstlervierteln dasselbe Maß an Toleranz zuteil wie den vielen, herumziehenden Narren in den griechischen Dörfern, jenen Naturwesen, die hierzulande als Gottes ganz besondere Kinder gelten".
Hellas - bewegend neulich der Besuch bei Mikis Theodorakis in Athen wie auch das Wiedersehen auf Kreta mit Walter Lassally, dem mit einem Oscar prämierten Kameramann von "Alexis Sorbas". Nicht minder beeindruckend die Besuche bei Sir Patrick Leigh Fermor, dem Guru der Reiseliteratur, in dessen zauberhaften Meervilla in Kardamili, wo sein Freund Bruce Chatwin 1985 seine "Traumpfade" feinschliff.
Und heute? Im Job. Die Branche versinkt, wie Dylan singt, in einem "Whirlpool of lies". Ihre Schizophrenie schien Balzac vorauszusehen:
"Es gibt zwei Arten von Geschichte: Die eine ist die offizielle, geschönte, jene, die gelehrt wird, eine Geschichte ad usum delphini; und dann ist da die andere geheime Geschichte, welche die wahren Ursachen der Ereignisse birgt, eine beschämende Geschichte."
Aus der täglichen Zeitungslektüre, laut Hegel das "Morgengebet des Bürgers" die tägliche Tortur des humanistischen Empfindens geworden. Der "fulminante" Essay in Lettre "Freiwild - über Zähmung, Verwahrlosung und Niedergang des Journalismus" wurde - völlig zurecht - 2015 für den Michael Althen-Preis nominiert.
Also: Dieser Beruf, zu dem viele meiner Generation von Männern wie Willy Brandt, Kisch, Mailer, Sartre, Scholl-Latour ... verleitet wurden, muss sich wieder auf Mut, Wahrhaftigkeit, Würde und Unbestechlichkeit besinnen und auf unseren Grabsteinen darf gerne etwas stehen in der Art von Nikos Kazantzakis: ich fürchte nichts, ich erhoffe nichts, ich bin frei. Also!